F1: Vom „Projekt Bayernliga“ ins „Abenteuer 3. Liga“

Ein Rückblick auf das Schwabmünchner „Handballmärchen“ der vergangenen fünf Jahre und ein Ausblick auf die kommende Saison.

Es ist im April 2019, als die erste Damenmannschaft im zweiten Anlauf den Meistertitel in der schwäbischen Bezirksoberliga holt – im Vorjahr hatte sich das Team mit dem unglücklichen zweiten Platz begnügen müssen – und somit erstmals seit längerer Zeit ein Schwabmünchner Frauenteam den Sprung in die Landesliga schafft. Damals titelt der Spielbericht von Trainer Holger Hübenthal: „Schwabmünchen kann nur Zweiter? Nein, Schwabmünchen kann auch Meister!“ Wie recht er damit behalten sollte, konnte zu diesem Zeitpunkt noch niemand ahnen. Da man im Jugendbereich zu diesem Zeitpunkt schon vielversprechende Talente und wenig später im Landesliga-Spielbetrieb einige Erfolge verzeichnen konnte, entstand kurz darauf die ambitionierte Idee für ein „Projekt Bayernliga“: Die Verantwortlichen wollten das Team innerhalb der nächsten Jahre möglichst hochklassig positionieren – bestenfalls eben in der Bayernliga.

Zunächst sah es mit diesem Ziel jedoch noch alles andere als rosig aus: Die folgende Saison wurde aufgrund der Corona Pandemie sechs Spiele vor Ende abgebrochen. Schwabmünchen lag zu diesem Zeitpunkt auf dem 11. Tabellenplatz und war mit einem eher kläglichen Kontostand von 9:31 Punkten im Abstiegskampf verortet. Auch die anschließende Saison wurde nach nur zwei Spielen (leider erneut zwei Niederlagen für die Gelb-Blauen) wegen COVID abgebrochen, sodass nur ein Quäntchen Glück und die coronabedingte Nicht-Abstiegs-Regelung den Ligaverbleib der Schwabmünchnerinnen rettete.

Das erste vollständig ausgespielte Jahr in der Landesliga (Saison 2021/22) stand dann unter einem besseren Stern. Obwohl das äußerst junge Team von Coach Lars Lammich anfangs nicht unbedingt zu den Favoriten zählte und innerhalb der ersten vier Spiele gleich zwei Niederlagen gegen ältere und routiniertere Mannschaften einstecken musste, ließen sich Trainer und Team davon nicht entmutigen. Nach dem holprigen Start gelang den Schwabmünchnerinnen dann tatsächlich der Coup: Eine verlustpunktfreie Rückrunde führte zum entscheidenden Aufstiegsspiel gegen Kissing, welches vor den Augen der zahlreich mitgereisten Fans mit 26:34 klar gewonnen wurde. Die Landesligameisterschaft und der Aufstieg in die Bayernliga waren gesichert.

Da es Erfolgstrainer Lammich beruflich nach Norddeutschland verschlug, übernahm in der ersten Bayernligasaison Routinier Holger Hübenthal die anspruchsvolle Aufgabe. Nicht weniger erfolgreich endete die Hauptrunde für sein gerade erst aufgestiegenes Team unerwartet mit der Südbayerischen Meisterschaft. Die anschließenden Play Offs entpuppten sich dann als noch zu stark für das junge Team, aber dafür krönte die weibliche A-Jugend das erfolgreiche Jahr mit dem Pokalsieg in der Jugendbundesliga. Hübenthal behielt Recht: Ja, Schwabmünchen kann auch Meister!

Das „Projekt Bayernliga“ erfolgreich abgeschlossen, im Jugendbereich herausragende Tabellenplatzierungen – Schwabmünchen hatte alles erreicht, was es sich vorgenommen hatte. Mehr hatte niemand zu hoffen gewagt, und so konnte Trainer Hübenthal nun guten Gewissens handballerisch kürzertreten und sich der Jugendförderung widmen. Mit Stephan Volmering und Mario Stadlmair übernahm erstmals ein externes Trainergespann die Damenmannschaft, was sich schnell als absoluter Glücksgriff erwies. Das zu Saisonbeginn gesteckte Ziel, es erneut in die Play Offs zu schaffen, wurde nicht nur erreicht, sondern geradezu niedergemäht: Durch einen Patzer des direkten Konkurrenten EBE Forst United durfte Schwabmünchen im April diesen Jahres vorzeitig die Bayerische Meisterschaft feiern und sah sich plötzlich in der Relegation um den Aufstieg in die 3. Liga. Wo kaum vier Jahre zuvor das Erreichen der Bayernliga noch utopisch erschien, war auf einmal ein Hauch von Bundesliga-Luft zu spüren. Als sich Spielmacherin Lea Lammich im letzten Training vor Relegationsbeginn schwer verletzt und komplett ausfällt, bekommt das Märchen vom Aufstieg in die 3. Liga einen erheblichen Dämpfer. Mit dezimiertem Kader, aber dennoch entschlossen, gelingt beim ersten Heimspiel aber die Überraschung – ein 33:26-Sieg gegen die TG 88 Pforzheim. Ob der Traum vom Aufstieg doch noch nicht ausgeträumt ist?

Fünf Relegationsspiele später stehen die Schwabmünchnerinnen in eigener Halle am Ende einer emotionalen Aufstiegsrunde als Underdog vor dem alles entscheidenden Spiel: Die Gegnerinnen vom HC Schmiden/Oeffingen haben den Aufstieg eigentlich bereits in der Tasche. Nur ein Sieg mit mehr als fünf Toren könnte die Tabelle nochmal zugunsten der Schwabmünchnerinnen drehen. In einem Herzschlagfinale vor lautstarker Fankulisse geschieht schließlich nach 59 Minuten umkämpfter Partie das Unfassbare: Vier Sekunden vor Abpfiff sichert der letzte Treffer des Spiels zusammen mit einer grandiosen Abwehrleistung der Heimmannschaft den notwendigen Fünf-Tore-Sieg. Durch eine Zusatzklausel, die besagt, dass bei Punktgleichheit und Torgleichheit die Anzahl der geworfenen Auswärtstore über den Aufstieg entscheidet, steigt Schwabmünchen zum ersten Mal in der Vereinsgeschichte in die 3. Liga auf.

Ab September greift Schwabmünchen also in Deutschlands dritthöchster Liga an. Rückblickend sind es fünf unglaubliche Jahre und ein Märchen, wie es im Buche steht. Vor allem für zwei Spielerinnen waren die letzten Jahre ganz besonders: Öykü Hiemer und Damaris Rheindt stehen damals wie heute im Kader der ersten Mannschaft und durften alle Höhen und Tiefen live miterleben. Die erste Damenmannschaft blickt nun ihrer größten Herausforderung entgegen: Die kommende Saison wird mit Sicherheit nicht einfach werden, vor allem da keine einzige Spielerin Drittliga-Erfahrung vorweisen kann und auch das Trainer-Team bisher noch nicht in den Genuss kam, so hochklassig zu coachen. Personell wird es in der neuen Saison einige Veränderungen geben: Selina Scholz (Karriereende) und Lara Rettermeier (Auslandsaufenthalt) verabschiedeten sich aus der Mannschaft. In der Vorbereitung stießen die Langzeitverletzten Laetizia Michael, Antonia Bloch und Julia Franz wieder zum Team und auch einige Spielerinnen aus der eigenen Jugendbundesliga konnten bereits Trainingsluft im Erwachsenenbereich schnuppern. Lea Lammich fällt wegen ihres Kreuzbandrisses voraussichtlich die ganze Saison aus. Als Verstärkung für den Rückraum wird Fanni Neumaier vom SV München-Laim mit einem Doppelspielrecht für Schwabmünchen auflaufen.

Nach dem Märchen wartet nun die Realität: Diesmal heißt das hochgesteckte Ziel ohne Frage Ligaverbleib. Eine Schonfrist gibt es nicht, denn am 14. September muss das Team um 18:00 Uhr direkt gegen den HCD Gröbenzell ran, den Absteiger aus der 2. Liga. Aber egal, wie die Saison am Ende ausgeht, der ganze Verein blickt der kommenden Saison mit Spannung entgegen und freut sich auf hochklassige Spiele in eigener Halle.  Gemeinsam heißt es ab sofort: „Abenteuer 3. Liga!“

 

Chronik der letzten sechs Jahre:

Saison 17/18: Vizemeister Bezirksoberliga Schwaben

Saison 18/19: Meister Bezirksoberliga Schwaben & Aufstieg in die Landesliga

Saison 19/20: Landesliga Platz 11 (9:31 Punkte), dann Corona-Abbruch nach 20 Spielen

Saison 20/21: Landesliga (0:4 Punkte), dann erneut Corona-Abbruch nach zwei Spielen

Saison 21/22: Landesligameister & Aufstieg in die Bayernliga

Saison 22/23: Südbayerischer Meister & Teilnahme an den Play Offs

Saison 23/24: Bayerischer Meister & Aufstiegsrelegation 3. Liga

Saison 24/25: 3. Liga Süd